Fraktion intern: Starten wir doch gleich mit der ganz großen Frage: Ist die Rente sicher?

Dagmar Schmidt: Die Rente ist sicher. Wir stabilisieren das Rentenniveau bis ins Jahr 2040. Das ist ein großes Signal für soziale Sicherheit in unsicheren Zeiten.

Fraktion intern: Mit dem Satz „Die Rente ist sicher” wurde der ehemalige Sozialminister Norbert Blüm von der Union 1986 berühmt, weil damals schon viele annahmen, dass die gesetzliche, umlagefinanzierte Rente angesichts der schon damals einsetzenden demografischen Entwicklung alles andere als sicher war. Siehst du dich in einer Linie mit ihm?

Dagmar Schmidt: Also in der Tradition mit Norbert Blüm würde ich mich nicht wirklich sehen, weil wir ja auch nicht die politischen Farben teilen. Aber was man feststellen kann, ist, dass zur Rente schon immer Horrorszenarien an die Wand gemalt worden sind.

Keine dieser Prognosen hat jemals gestimmt. Immer war die Entwicklung für die Rente besser. Und das lag daran, dass die Arbeitsmarktentwicklung immer besser war, als sie eingeschätzt wurde. Man muss eben auch noch auf ein paar andere Dinge als nur die Demografie gucken.

Fraktion intern: Wie genau will die Ampel das Rentenniveau stabilisieren?

Dagmar Schmidt: Das Rentenniveau darf nicht unter 48 Prozent fallen. Das heißt, dass wir unser Rentenniveau auch in Zukunft an die Entwicklung der Löhne koppeln. Darauf können sich alle verlassen. Und darauf, dass man auch in Zukunft noch eine gute Rente hat.

Im Gesetzesentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil ist auch festgeschrieben, dass die Bundesregierung 2035 einen Bericht darüber vorzulegen hat, wie auch über Mitte 2040 hinaus die Rente stabilisiert werden kann, so dass auch unsere Kinder stabile Renten haben werden.

Fraktion intern: Die Kernfrage ist ja, wie man das finanziert. Denn unser umlagefinanziertes Rentensystem steht ja schon unter Druck wegen der demografischen Entwicklung. Kannst du kurz erklären, wieso?

Dagmar Schmidt: Die Rentner:innen bekommen in unserem umlagefinanzierten System die Renten bezahlt von denjenigen, die heute arbeiten. Weil sie, als sie gearbeitet haben, die Renten der damaligen Rentnergeneration bezahlt haben.

Im Idealfall lässt sich das eins zu eins durch die Beiträge derer, die gerade noch im Job sind, finanzieren. Da kommen wir aber jetzt schon länger nicht mehr mit hin, unter anderem wegen der demografischen Entwicklung – weil es schlicht weniger Jüngere und mehr Ältere gibt.

Fraktion intern: Ein Steuerzuschuss aus dem regulären Haushalt füllt die Lücken, richtig?

Dagmar Schmidt: Genau. Darin enthalten sind aber auch soziale Kostenkomponenten, weil man ja in der Rente zum Beispiel auch Erziehungszeiten oder Anrechnungszeiten wegen beispielsweise einer Mutterschaft oder schulischer Ausbildung anerkannt bekommt. Bundeszuschüsse haben eine allgemeine Sicherungsfunktion für die gesetzliche Rentenversicherung und begrenzen den Beitragssatz.

Darüber hinaus dienen die Bundeszuschüsse aber auch der Kompensation nicht durch Beiträge gedeckter Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Rentenversicherung gibt viel Geld für Leistungen aus, die nicht als Gegenleistung zu gezahlten Beiträgen gelten. Das sind Leistungen, die dem sozialen Ausgleich dienen.

Fraktion intern: In welchem Zustand befindet sich unser Rentensystem?

Dagmar Schmidt: In einem guten. Es gab wie gesagt schon immer viele Horrorszenarien, was die Rente anbelangt, und es ist immer sehr viel besser gelaufen. Das hat mit der Stabilität unserer Volkswirtschaft und der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt zu tun.

Wir haben noch nie so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gehabt wie im Moment. Trotzdem muss man sich der Demografie stellen. Und das tun wir, und zwar mit dem Generationenkapital.

Fraktion intern: … das auch Teil des Rentenpakets II ist.

Dagmar Schmidt: Ja, dieser Fonds wird sozusagen neben die gesetzliche Rente gestellt. Bundesmittel werden am Kapitalmarkt angelegt, zwölf Milliarden Euro sind dafür zunächst vorgesehen.

Die Renditen fließen dann wie Steuerzuschüsse in die Rente und sollen Mitte der dreißiger Jahre, wenn die Babyboomer in Rente gehen, dann dafür sorgen, dass die Entwicklung des Beitragssatzes begrenzt wird.

Fraktion intern: Reicht das Generationenkapital denn aus? Oder brauchen wir noch mehr Geld, um das Ganze zu stabilisieren und zu finanzieren?

Dagmar Schmidt: Es gibt mehrere Stellschrauben: die Kapitalerträge, die Beiträge und Steuerzuschüsse. Oder man kann eben das Rentenniveau senken. Aber das genau wollen wir ja nicht. Es geht um einen Mix an Maßnahmen – und insofern dann auch um die Frage, Beiträge anheben zu müssen. Aber das Generationenkapital wird dafür sorgen, dass die Beitragssatzanstiege abgefedert werden. Unsere Arbeitsmarktpolitik wird dafür sorgen, dass wir mehr Beitragszahler:innen haben.

Fraktion intern: Man muss ja auch klar stellen: Wenn wir jetzt nichts tun würden, dann würde das Rentenniveau ja definitiv sinken, richtig?

Dagmar Schmidt: Ja, laut der Rentenversicherung auf 45 Prozent bis 2037. Also eine Rente, die jetzt bei 1.500 Euro liegt, würde dann bei 1.400 Euro liegen.

Fraktion intern: Kernbestandteil der Rentenpolitik der Ampel ist also, mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. Wie?

Dagmar Schmidt: Ja, absolut. Wir haben trotz einer Rekordbeschäftigungsquote einen Fachkräftemangel und deswegen versuchen wir ja an allen Schrauben zu drehen, die uns zur Verfügung stehen. Eines der größten Probleme im Vergleich zu anderen Ländern ist, dass in Deutschland Frauen viel zu wenig arbeiten. Weil sie nur wenige Stunden arbeiten. Ganz oft in Teilzeit, weil die Kinderbetreuung nicht auf dem Niveau ist, wie sie sein sollte.

Aber auch weil die Arbeitsteilung für die sogenannte Carearbeit, also die Familienarbeit, die Betreuung der Kinder, auch zwischen den Geschlechtern immer noch ungerecht verteilt ist. Da gibt es ein Riesenpotenzial für unseren Arbeitsmarkt, aber natürlich auch für die Stabilisierung der Rente.

Wir haben außerdem mit dem Bürgergeld einen Fokus darauf gelegt, dass eben nicht jeder jeden Job unter jeden Bedingungen annehmen muss, sondern dass wir Menschen erst qualifizieren, damit sie dann als Fachkräfte nachhaltig und langfristig in Arbeit kommen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag.

Wir fördern einen inklusiven Arbeitsmarkt, weil Menschen, die eine Beeinträchtigung haben und arbeitslos sind, oft viel besser ausgebildet sind als die, die keine Beeinträchtigung haben. Und trotzdem finden sie keinen Weg in reguläre Arbeit.

Wir qualifizieren im Beruf, damit Menschen erst gar nicht arbeitslos werden oder sich aber auch im Beruf neu orientieren können. Und auch die Einwanderung ist ein wichtiges Thema zur Stabilisierung unseres Arbeitsmarkts, und damit natürlich auch langfristig zur Stabilisierung der Rente. Die haben wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert.

Fraktion intern: Man könnte ja dieses Problem, dass sich die Alterspyramide verschiebt, auch dadurch lösen, dass man sagt, dann beginnt der Rentenbezug halt später, sprich man setzt das Renteneintrittsalter einfach rauf. Das möchte ja die Union machen. Wieso ist das keine gute Idee?

Dagmar Schmidt: Das wäre zutiefst ungerecht. Weil diejenigen, die lange arbeiten, schon jetzt oftmals nicht als Arbeitnehmer:innen das Renteneintrittsalter erreichen. Jede Erhöhung wäre für diese Menschen eine Rentenkürzung.

Wer länger arbeiten möchte, kann das schon jetzt, und es lohnt sich: Für jeden Monat gibt es 0,5 Prozent mehr Rente. Das sind im Jahr bis zu sechs Prozent. Und wer in Rente gehen will und trotzdem ganz normal weiterarbeiten möchte, der kann das auch, da wird nichts mehr abgezogen.

Fraktion intern: Also du sagst ganz klar, mit 67 ist definitiv Schluss.

Dagmar Schmidt: Ja, und wer 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, der kann auch zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen.

Fraktion intern: Man könnte theoretisch auch sagen, wir lösen das alles über das Rentenniveau. Dann kriegen halt am Ende alle weniger ausbezahlt.

Dagmar Schmidt: Das könnte man tun. Aber dann wäre auf die gesetzliche Rente kein Verlass. Und viele Menschen, die lange gearbeitet haben, hätten keine sichere Zukunft. Deshalb wollen wir stabile Renten, die sich bestenfalls nach oben entwickeln. Und deshalb ziehen wir die Haltelinie bei 48 Prozent. Wenn die Gesamtlage gut ist, dann steigen auch die Renten und damit auch das Rentenniveau. Wir wollen eine Dynamik nach oben und keine Dynamik nach unten.

Fraktion intern: Was hältst du von der Idee, die Einzahlerbasis zu verbreitern wie in Österreich, also auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die Rentenversicherung reinzuholen?

Dagmar Schmidt: Das finden wir als SPD-Fraktion gut, aber dafür haben wir noch keine Mehrheit in diesem Bundestag gefunden. Das würde aber auch nicht alle Probleme auf einmal lösen. Alle, die mit einzahlen, haben natürlich hinter her auch einen Anspruch, etwas rauszubekommen. Es ist in jedem Fall gerecht, dass möglichst viele mit einzahlen.

Fraktion intern: Manche debattieren zur Zeit darüber, dass wir ja die Bundeswehr auf Vordermann bringen und in die staatliche Infrastruktur investieren müssen, und deshalb beim Sozialstaat sparen sollten, wie etwa mit einer Nullrunde für die Rentner. Wie gehst du denn mit solchen Ideen um?

Dagmar Schmidt: Wenn es den Leuten wirklich um die Sicherung unseres Wohlstands geht, dann ist der Sozialstaat immer eine Voraussetzung dafür. Wenn man sich auf einen Sozialstaat verlassen kann, wenn man sich auf seine Rente verlassen kann, dann ist das etwas, was unsere Konjunktur stabil hält, weil die Menschen weiter Geld ausgeben.

Fraktion intern: Vielen wird die gesetzliche Rente trotz der Stabilisierung nicht reichen zum Leben. Wie sollen sie zusätzlich vorsorgen?

Dagmar Schmidt: Am besten per Betriebsrente, weil der Arbeitgeber sie mitfinanziert. Deshalb schauen wir auch immer, wie wir den gesetzlichen Rahmen der Betriebsrenten verbessern können. Wer zusätzlich privat vorsorgen möchte, kann das natürlich tun. Das möchten wir aber nicht mit Steuergeld subventionieren. Da denken wir eher in Richtung Verbraucherschutz, also dass man da nicht übers Ohr gehauen wird mit den Rentenprodukten, die man kauft.

Fraktion intern: Und was machen jene, die nur zu Niedriglöhnen einen Job finden?

Dagmar Schmidt: Wir haben für die, die viele Jahre gearbeitet haben, aber eben geringe Löhne hatten, die Grundrente eingeführt. Das ist eine Aufwertung ihrer Rente. Wir sorgen zudem für Entlastung, indem wir für sie die Sozialbeiträge verringert haben. Eines der größten Probleme mit Blick auf Altersarmut sind aber die Erwerbsminderungsrenten. Dieses Themas haben wir uns noch mal ganz besonders angenommen: Es wird im Juli noch mal eine Erhöhung von bis zu 7,5 Prozent geben, für diejenigen, die bereits eine solche Rente beziehen.

Das Gespräch mit Dagmar Schmidt als Podcast hören Sie hier:

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